Mehrere Bücher in einem Jahr veröffentlichen? Wie geht das?

Puh, gleich der zweite Post auf diesem Blog und vielleicht steche ich damit in ein Wespennest. Der Hintergrund für diesen Beitrag war eine Diskussion auf Threads – die wir vor Jahren auch schon auf Twitter hatten. Autoren / Autorinnen, die mehrere Bücher im Jahr veröffentlichen? Das kann nur hingeklatscht sein!

Oder kann es auch einen anderen Hintergrund haben?

Was macht die Schreibgeschwindigkeit aus?

Als ich 2013 an meinem ersten NaNoWriMo* teilnahm, habe ich für mein tägliches Wortziel 2-3 Stunden gebraucht. Inzwischen schaffe ich das in 1-1,5 Stunden. Und meine heutigen Texte, sind definitiv besser als vor zehn Jahren. Aber warum ist das so?

*Ziel des NaNoWriMo ist es, im November eine Rohfassung von 50.000 Wörter zu schreiben

Schreiberfahrung

Wie bei allen Dingen, werden wir schneller und besser darin, wenn wir es schon häufiger getan haben. Das gilt nicht nur fürs Schreiben, sondern für alle Lebensbereiche. Formulierungen, Synonyme, der gesamte Aufbau einer Geschichte fällt uns leichter, wenn wir es mehr als einmal getan haben. Wir lernen mit jedem Kapitel dazu. Es geht uns in Fleisch und Blut über.

Ich bin auch beim Tippen selbst besser geworden.

Die äußeren Umstände

Gehen wir mal von zwei Extremen aus:

Vollzeitautoren: Sie haben das Schreiben zu ihrem Beruf gemacht und können sich über mehrere Stunden am Tag allein darauf konzentrieren. Am besten zu einer Zeit, die auch noch zu ihrem Chronotypen passt. Sie sind vielleicht allein zuhause und müssen keine Ablenkung fürchten.

Berufstätige mit 40 Stundenwoche: Sie sind mindestens 9 Stunden am Tag nicht zuhause – oder im Homeoffice – bringen vielleicht noch die Kinder zur Schule/Kita, organisieren den Nachmittag und schaffen es sich am Abend ein Stündchen Schreibzeit freizuschaufeln. Meist ist der Kopf dann voll oder man ist zu ausgelaugt vom Tag.

Wer von den beiden jetzt schneller schreiben wird, muss ich nicht sagen. Und allein diese beiden Sachen machen schon einen großen Teil davon aus, wie schnell ein Buch fertig ist. Außerdem fällt es nicht jedem gleich leicht/schwer sich zu konzentrieren oder fokussieren. Eine Rechtschreibschwäche, ADHS … Da gibt es viele Dinge, die ich hier noch aufzählen könnte.

Wie lang ist der Text eigentlich?

Das ist eine Frage, die tatsächlich kaum eine Rolle in der Diskussion gespielt hat. Eine Kurzgeschichte oder eine Novelle gehen einfach viel schneller als ein 800 Seiten Fantasy Epos ähnlich Herr der Ringe. Ich schreibe gerne kurze Bücher oder Novellen.

Meine beiden „Run jump and …” Bücher haben etwas über 30.000 Wörter. Mit meinen heutigen Schreibzeiten kann ich ein Skript dieser Länge in einem Monat schreiben. Damals habe ich noch viel länger gebraucht, weil ich einfach nicht die Zeit dafür hatte.

Der Schreibprozess findet im Verborgenen statt

Was wir auf den diversen Kanälen sehen, sind die Endprodukte. Vor allem, wenn wir einem Autor / Autorin nicht direkt folgen und nur ein paar Beiträge in die Timeline gespült bekommen. Das meiste, was mit dem Schreibprozess zu tun hat, findet nicht in der Öffentlichkeit statt.

Wir sehen nicht, wie über Wochen / Monate hinweg ein Plot entsteht. Szenen aufgenommen und wieder verworfen werden. Figuren erschaffen werden und wieder verschwinden. Wer so genau plant, kann eine Rohfassung schreiben, an der gar nicht mehr so viel geändert werden muss.

Bei Trilogien ist es nicht selten, dass er alle Bücher über lange Zeit veröffentlichungsreif gemacht werden, bevor Band 1 und dann recht zügig die anderen Teile auf den Markt kommen.

Wir sehen auch nicht, wie viel Arbeit noch in eine Rohfassung gesteckt wird, die in wenigen Wochen heruntergeschrieben wurde, wenn der Plot nicht bis ins kleinste Detail geplant war. Ich habe auch noch eine Rohfassung für ein Romance Projekt hier liegen, die ich noch nicht weiter angerührt oder irgendwo erwähnt habe.

Meine Arbeitsweise

Ich werde dazu auch noch einen eigenen Post schreiben, aber nur um mal einen kleinen Eindruck von meiner Arbeitsweise zu geben:

Bevor ich anfange zu schreiben, lasse ich die Idee in meinem Kopf reifen. Ich spiele die Geschichte in meinen Gedanken durch, gerne vor dem Einschlafen oder in anderen Situationen, in denen meine Aufmerksamkeit nicht anderweitig gebraucht wird. So entsteht bei mir der Plot. Allein dieser Prozess kann bis zu einem Jahr oder noch länger dauern. Das ist nichts, was ihr mitbekommt. Wenn ich die Geschichte dann zu Papier bringe, geht alles sehr schnell.

Planung

Wer vom Schreiben lebt und in kurzen Frequenzen Bücher veröffentlicht, braucht Planung.

Es müssen Termine mit dem Lektorat / Korrektorat / Coverdesign gemacht werden. Man muss einschätzen, wie lange man für eine Rohfassung und die erste Überarbeitung braucht.

In der Zeit, in der der Lektor / Lektorin das Skript hat, kann bereits der Plot für das nächste Buch entstehen oder die Rohfassung geschrieben werden.

Was ich bei Vollzeitautoren schon mitbekommen habe: Sie haben ein Team hinter sich. Damit meine ich nicht, dass sie einen eigenen Lektor angestellt haben, sondern sehr eng mit Dienstleistenden zusammenarbeiten und schon Slots auf längere Zeit buchen.

Wie ich meine Schreibzeit plane, auch das kommt noch in einem separaten Blogbeitrag.

Disziplin

„Denkt dran – Geduld und Disziplin!“ Wer schon einmal World of Warcraft gespielt hat und sich ebenso wie ich den Verlassenen hingezogen fühlt, kennt diesen Spruch. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich diese Worte schon als Mantra im Kopf habe. Ja, auch mit der Stimme!

Wer vom Schreiben leben möchte, kann nicht mal sagen, dass die Muse gerade nicht da ist. Es muss dann sein. Egal wie die Stimmung ist. Am Ende ist es ein Beruf, wie jeder andere auch und wir kennen es alle: Keine Lust aufzustehen, aber da würde der Chef einem aufs Dach steigen. Also steht man auch und fährt zur Arbeit.

Seit September 23 habe ich drei Schreibtage pro Woche und die anderen zwei Tage arbeite ich ganztags in meinem Brotjob. Ich kann sagen, dass es manchmal sehr verlockend ist, wenn ich nicht ganz auf der Höhe bin, zu sagen: Reicht für heute. In 99% der Fälle bleibe ich dann trotzdem am Schreibtisch und arbeite weiter. Im Brotjob kann ich auch nicht einfach nach Hause gehen.

Fazit

Der Beitrag ist deutlich länger geworden als ich erwartet habe. Es hat mir aber auch gezeigt, wie viel es darüber zu reden gibt und dafür sind die begrenzten Zeichen auf den verschiedenen Social Media einfach zu wenig. Da wird angefangen zu kürzen und zack kommt es zu Missverständnissen.

Denkt bitte dran, dass ihr die Lebensumstände anderer Personen nicht kennt und Social Media nur ein Fenster für kleine Ausschnitte des Ganzen sind.

Jeder schreibt anders. Jeder ist anders.

Ich habe so viele Ideen und Plotbunnys im Kopf, die alle raus wollen und ihren Weg auf das Papier finden möchten. Beschäftige ich mich zu lange mit einer Geschichte, zerdenke ich sie regelrecht. Andere brauchen genau die Zeit, um mit der Geschichte und den Figuren warm zu werden.

Ich weiß, dass gerade in der Selfpublisher Szene dazu geraten wird, alle X-Monate (meist werden drei genannt, weil der Amazon Algorythmus das mag) zu veröffentlichen. Das führt teilweise zu einem enormen Druck, was ich für uns Schreibende sehr traurig finde. Und es kann dazu führen, dass sich für Bücher nicht die Zeit genommen wird, die sie brauchen. Oder es fand aus Unerfahrenheit keine oder nicht ausreichende Überarbeitung statt. Ich dachte am Anfang meiner Schreiblaufbahn auch, dass nach der Rohfassung einmal drüberlesen ausreicht. Heute weiß ich das natürlich besser.

Bitte verurteilt nicht alle pauschal! Es gibt genug Autoren und Autorinnen, die sich den A… aufreißen, um uns verdammt gute Bücher zu bieten.