Die Romantisierung des Schriftstellerdaseins – Vorstellung vs. Realität

Das Autorenleben klingt wie ein wahrgewordener Traum:

Wer schreibt, der reist an die schönsten Orte der Welt, um dort Recherche für den nächsten Roman zu bekommen.

Der typische Autor setzt sich hin, starrt auf eine leere Seite und irgendwann packen ihn die Ideen und dann schreibt er Tag und Nacht ohne Pause, bis das ganze Skript fertig ist. Dann geht es an den Verlag und schon hat man einen Bestseller.

Wenn Autoren gerade mal nicht schreiben, dann sind sie auf Buchmessen, in Talkshows und auf Lesungen zu finden. Das Leben für sie ist aufregend!

Ich muss euch leider enttäuschen. So läuft es in den wenigsten Fällen ab. Sorry.

Woher kommt die Romantisierung des Autorenlebens?

In Geschichten sei, es in Filmen oder Büchern, in denen Autoren die Hauptrolle spielen, werden gerne zwei Extreme gezeigt:

Da gibt es zum einen den erfolglosen Autor, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Er jagt seinem Traum nach, endlich eines seiner Skripte an einen Agenten vermitteln zu können, und hält sich mit kleinen Schreibjobs über Wasser. Vielleicht arbeitet er bei einer Zeitung. Er wird von seiner Frau verlassen und zieht sich in einer dunklen Phase des Seins an einen einsamen See zurück, um dort endlich das Buch zu schreiben, auf das sein Agent gewartet hat. Dort trifft er die Liebe seines Lebens, die ihn zu der Story inspiriert, die alles ändert. Natürlich wird er dann Bestsellerautor.

Variante zwei ist der geheimnisvolle Autor, mit dem man Tür an Tür wohnt. Er schreibt unter Pseudonym, ist vielleicht auch immer grummelig drauf. Aber alle kennen seine Bücher und sie werden gefeiert. Er ist super erfolgreich, aber auch einsam, was er sich natürlich nicht eingestehen will (und auch er tritt die Liebe seines Lebens und taut dann auf).

Beide Versionen sind jetzt etwas überspitzt beschrieben, aber ich denke, ihr wisst, worauf ich hinaus möchte. Natürlich schreibt nicht nur Hollywood solche Geschichten. Ich sage nur J.K.Rowling.

Die Realität sieht oft ganz anders aus

Und jetzt nehme ich euch die rosarote Autorenbrille ab.

Die meisten Schreibenden haben einen normalen Brotjob und versuchen, sich so oft wie möglich Zeit zum Schreiben freizuschaufeln. Unser aller Tag hat nur 24 Stunden und bei einem Vollzeitjob, Haushalt, Familie und anderen Verpflichtungen bleibt, wenn man Glück hat, oft nur ein Stündchen am Abend. Oder am Morgen, sollte man zu den Lerchen gehören.

Schreibprozess? Leider nur der kleinste Anteil

Auch der Schreibprozess sieht in den allermeisten Fällen anders aus, als anfangs erwähnt.

Es gibt Autoren, die alles bis ins kleinste Detail planen und dementsprechend viel Zeit in diesen Teil des Schreibens stecken. Das kann Wochen, aber auch Monate dauern und in der Zeit haben sie keinen einzigen Satz für das Manuskript geschrieben. Die akribische Vorarbeit zahlt sich dann in der Überarbeitung aus, die dafür weniger lang dauert.

Das andere Extrem sind die Autoren, die einfach drauflos schreiben, solange die Ideen noch heiß sind. Ihr ahnt es, sie brauchen dafür lange für die Überarbeitung.

Aber allen gemein ist, dass der Schreibprozess selbst meist den geringsten Teil der Arbeit ausmacht, denn die kommt davor und danach. Vom Marketing, das auch noch betrieben werden möchte, reden wir noch nicht einmal.

Und ja, wir wünschen uns alle, dass wir ein druckreifes Skript aus dem Ärmel schütteln können. Es gibt sicher da draußen Autoren, die das können. Aber es sind die allerwenigsten.

Das (nicht ganz so) aufregende Leben der Schreibenden – (Soziale) Medien und das ständige Warten

Auf Social Media zeigen wir gerne die aufregenden Dinge und so kann auch der Eindruck entstehen, dass das Autorenleben wahnsinnig aufregend ist.

Wir sehen Bilder von Buchmessen, Lesungen und Treffen mit anderen aus der schreibenden Zunft. Oder man sieht die bekannten Autoren in Interviews, Talkshows und Artikeln im Internet oder in der Zeitung.

Das alles ist die Realität, aber es zeigt eben nur einen kleinen Teil des großen Ganzen.

Die meiste Zeit verbringen wir hinter den Bildschirmen oder über unseren Notizbüchern, vielleicht auch Zetteln.

Wir warten auf Rückmeldungen von Testlesenden, dass unser Text aus dem Lektorat / Korrektorat zurückkommt.

Wir warten gespannt auf die ersten Entwürfe unserer Coverdesigner.

Wir warten darauf, dass die ersten Rezensionen hereinkommen, und wir warten darauf, dass dieses verdammte Update des PCs endlich mal fertig ist, damit wir anfangen können zu schreiben. Glaubt mir, die Updates kommen immer dann, wenn man sie wirklich nicht braucht.

Oder wir warten darauf, dass das Kind endlich schläft und wir in Ruhe schreiben können, während uns schon fast die Augen zufallen, weil der Tag uns zu sehr mitgenommen hat.

Ja, wir warten sehr sehr viel.

Die schönsten Orte der Welt? Leider meist nur online

Worauf wir leider selten warten, ist die Ankunft an den schönsten Plätzen dieser Welt, wo wir unsere Recherche betreiben können. Denn meist sieht es eher so aus, dass wir nach Bildern auf Google oder Pinterest suchen, um uns einen Eindruck von der Umgebung zu machen.

Und bevor ihr jetzt mit Fackeln und Mistgabeln ankommt: Ja, natürlich gehen auch Autoren auf Recherchereisen oder verbinden es mit einem Urlaub. Als Kind war ich jeden Sommer in Schweden und jetzt könnt ihr euch vorstellen, welche Landschaften mich inspirieren, wenn ich Wälder beschreibe.

Ich vermute aber, dass die Ideen eher bei einem Urlaub in einem anderen Land kommen. Was sagt ihr dazu?

Natürlich haben alle die schönen Vorstellungen vom Leben als Autor ihren wahren Kern. Sonst wären sie auch nicht so sehr in den Köpfen der Menschen eingebrannt. Nur leider betrifft das nur einen winzigen Bruchteil von uns Schreibenden. Für die meisten von uns sieht die Realität leider etwas anderes aus, aber dennoch träumen wir, wenn auch vielleicht nur insgeheim, natürlich alle von dem Haus am See. 😉

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