Racing Girl Undercover

Frauen im Motorsport?
Das passt für Kaidas Vater nicht zusammen und bei seiner Tochter macht er da keine Ausnahme.
Aufhalten lässt sie sich davon nicht. Als Junge verkleidet, fährt sie auf der Kartbahn ihrer Familie. Von den Heimlichkeiten genervt, kämpft sie täglich gegen die Vorurteile ihres Vaters an. Das endet fast immer im Streit und am Ende zieht sich ihr Vater zurück, wenn ihm die Argumente ausgehen.
Dann kündigt er einen Renntag auf der Kartbahn an. Kaida sieht darin die Chance, ihn mit Taten zu überzeugen. Vorausgesetzt ihr Mut verlässt sie nicht.

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Kapitel 1

Wenn sie das Visier zuklappte, war sie allein mit der Strecke, dem Kart und den anderen Piloten. Die roten Lichter der Startampel verboten jedes Blinzeln. Ihr Erlöschen aktivierte den Tunnelblick, bei dem alles außerhalb der Leitplanken in einem dichten Nebel verschwand.

Am Ende der langen Start-Ziel-Geraden hatte sie zwei ihrer Konkurrenten hinter sich gelassen, die einen schlechteren Start gehabt hatten. Im Motorsport entschieden Bruchteile einer Sekunde darüber, wer die Nase vorn hatte.

Ihr Vordermann setzte in der 90°-Kurve zum Überholmanöver an. Er ging spät auf die Bremse – zu spät. Die Fliehkräfte trugen ihn weit nach außen. Sie nutzte die Gelegenheit, schlüpfte innen an ihm vorbei und fuhr wieder auf die Ideallinie.

Im Qualifying hatte sie ihren Rhythmus nicht gefunden. Der Druck, in kurzer Zeit die bestmögliche Runde herauszufahren, blockierte sie. Im Rennen sah das anders aus.

Von sechs auf drei in der ersten Kurve, da geht was!

Ihre Mundwinkel zuckten begeistert. Jetzt nur nicht die Konzentration verlieren.

Jedes Rennen auf dieser Bahn dauerte zehn Minuten. Wer nach Ablauf der Zeit als Erster über die Ziellinie fuhr, gewann.

Die beiden vor ihr Fahrenden lagen dicht beieinander. Der Hintere zuckte vor der Kurve kurz raus, setzte zum Überholen an und zog sein übereiltes Manöver im letzten Moment zurück. Das kostete ihn Zeit.

Die folgende Schikane war der schwierigste Punkt der Strecke. Zum Überholen eignete sie sich nicht, aber sauber gefahren war es möglich, viel Boden gutzumachen.

Geduld, mahnte sie sich, als sie am Ausgang der Schikane in Schlagdistanz zu ihrem Gegner war.

Ihr Hintermann lauerte auf einen Fehler ihrerseits. Ein Verbremsen, eine Unachtsamkeit, die sie zu weit aus der Kurve hinaustrug, reichte und sie hätte die Tür für ihn geöffnet.

Die ersten ein bis zwei Runden verliefen meist hektisch. Das Feld lag nach dem Start extrem dicht zusammen, was zu häufigen Positionswechseln führte. Mit zunehmender Rundenzahl entzerrte sich das Ganze. Nicht in der Form, wie man es aus Formel 1 oder anderen höheren Klassen kannte, aber kleinere Lücken taten sich durchaus auf.

Während sie einen Teil ihrer Aufmerksamkeit nach hinten richtete, ging sie in Lauerstellung. Die beiden vor ihr waren mit sich beschäftigt. Ob ihr direkter Gegner trotzdem bemerkte, wie nahe sie ihm gekommen war?

Die Jägerin war in Schlagdistanz. Noch fehlte ihr der richtige Punkt für ihre Attacke. Sich kopflos in den Kampf einzumischen, konnte sich im schlimmsten Fall in einem Positionsverlust auswirken. Lieber einen dritten Platz mit nach Hause nehmen, als am Ende der eigenen Ungeduld zum Opfer fallen.

Sie beobachtete die Kampfhähne und bemerkte, dass ihr Vordermann Schwierigkeiten mit der letzten Schikane hatte. Ein einmaliges Problem? Nein. In der folgenden Runde kam er wieder zu weit raus.

Ein Schwachpunkt und gleichzeitig ihre Chance für einen Angriff.

Das Blut rauschte in ihren Ohren und übertönte dabei die Motoren der Karts. Adrenalin schoss in der gleichen Geschwindigkeit, mit der sie über die Bahn jagte, durch ihre Adern. Die Erwartung auf den direkten Zweikampf entfesselte einen Rausch.

Volle Konzentration am Bremspunkt!

Ihr Gegner machte den erwarteten Fehler.

Sie zog nach innen hinein und zwang ihn damit noch weiter hinaus, ohne ihn abzudrängen. Brechstangenaktionen waren nicht ihr Ding. Auch beim harten Racing sollte jeder zumindest ausreichend Platz für seinen Wagen auf der Strecke haben.

Sie zog an ihm vorbei, aber das letzte Wort um den zweiten Platz war damit nicht gesprochen. Die verbleibenden drei Minuten konnten lang werden.

Defensive war angesagt. Den Sieg hatte sie abgeschrieben, ohne ein Messer zwischen den Zähnen war er unerreichbar. Aber ihren zweiten Platz würde sie mit all ihren Skills verteidigen.

Ihr Konkurrent blieb an ihr dran. Die Zeit tickte herunter. Jede Runde dauerte vierzig Sekunden. Sie waren schnell wieder an der Stelle, die sie zum Überholen genutzt hatte, und ihr Gegner hatte sich die gesamte Distanz dicht an ihrem Getriebe gehalten.

Der Gegenangriff kam. Am Ende der Start-Ziel-Geraden fuhr er aus dem Windschatten heraus. Gemeinsam lenkten sie in die Kurve ein. Ihr Herz schlug kräftig. Das war die Art von Duellen, die sie auf der Strecke liebte. Die sie puschten, dazu brachten, alles aus sich herauszuholen.

Sie hielt dagegen. Ließ sich von seiner Attacke nicht beeindrucken und hatte am Kurvenausgang die Nase weiterhin vorn.

Die Duelle ihres Konkurrenten mit dem Führenden hatten ihr einen Einblick in seine Fahrweise gegeben. Er setzte darauf, Druck aufzubauen. Sich immer wieder zu zeigen und den Gegner damit nervös zu machen.

Sie durfte sich nicht auf sein Spiel einlassen. Bei den ersten Rennen war ihr dies aus Unerfahrenheit häufig passiert. Heute setzte sie auf volle Verteidigung. Auf Angriffe reagieren, defensiv handeln, aber seinen Druck nicht annehmen.

Ein Gong gab das Zeichen, dass die Zeit um war. Eine halbe Runde lang musste sie ihren Platz noch verteidigen. Zwanzig Sekunden zogen sich wie ein ganzes Rennen.

Die letzte Kurve vor dem Ziel.

Ihr Gegner nutzte die einzige Möglichkeit zum Überholen. In einer übermotivierten Aktion ging er extrem spät vom Gas, schoss an der Innenseite an ihr vorbei, bremste kräftig herunter, um die Kurve noch zu bekommen.

Rad an Rad fuhren sie auf die Start-Ziel-Gerade.

Sie trat das Pedal bis zum Anschlag durch.

Zieh!, feuerte sie ihren Kart an. Die letzten Meter glichen einer Zeitverzerrung. Die Ziellinie wollte nicht näherkommen und es brauchte eine Ewigkeit, bis sie endlich die schwarz-weiß karierte Flagge sah.

Mit einer viertel Wagenlänge hatte sie ihren Platz verteidigt. Sie ging von der Ideallinie und nahm das Tempo raus. Eine letzte Runde, in moderater Geschwindigkeit, dann stellte sie den Kart auf einer der markierten Flächen in der Boxengasse ab.

Sie lehnte sich zurück, ließ das Lenkrad los und öffnete ein paar Mal ihre Hände. Ihre Fingerbeugemuskeln brauchten einen Moment, bis sie aus ihrer Verkrampfung herauskamen. Es zog, sobald sie ihre Finger streckte. Und nicht nur ihre Hände, auch ihr Nacken signalisierte seine Anspannung mit Schmerzen. Sie neigte den Kopf langsam zu beiden Seiten, die Muskeln nahmen die Dehnung dankend an.

»Gutes Rennen, hätte nicht gedacht, dass du so weit vorkommst.« Ben, einer der Mitarbeiter der Bahn, kam zu ihr.

Sie klappte das Visier hoch. »Danke.«

Er löste den Gurt, auf dieser Bahn war es vorgeschrieben, dass er nur durch einen Beschäftigten gelöst werden durfte, sobald die Motoren abgeschaltet waren.

Sie stieg aus, ließ ihren Helm dabei auf, im Gegensatz zu den anderen. Der Fahrer, mit dem sie sich bis zum Ende duelliert hatte, kam auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen. Sie schlug ein.

Er nickte ihr anerkennend zu. »Starke Leistung! Ich hoffe, wir fahren mal wieder gegeneinander.«

Sie nickte. Die anderen aus dem Rennen kamen zum Gratulieren. Man klopfte sich kameradschaftlich auf die Schulter oder den Rücken, schüttelte Hände oder schlug ins High Five ein. Als sie durch das gesamte Feld durch war, verließ sie die Sammelstelle und ging unbemerkt zum Hinterausgang des Gebäudes. Vor der Tür zog sie ihren linken Ärmel des Overalls hoch. An ihrem Unterarm hatte sie einen Schlüssel mit einem Streifen Klebeband fixiert. Sie riss ihn ab, vergewisserte sich, dass die Luft rein war, und schloss die Tür auf. Eilig schlüpfte sie hindurch und verschloss sie wieder.

Sie nahm den Helm ab und zog die Balaklava, eine Schutzhaube, aus. Die Ränder der Perücke juckten fürchterlich auf ihrem schweißnassen Nacken.

Vor ihr lag eine Wiese, die bei Veranstaltungen als Parkfläche für Anhängergespanne diente. Im Moment war sie leer. Dahinter begann der Wald. Von außen war diese Fläche nur von der Landstraße einsehbar, die direkt an der Anlage vorbeiführte.

Eilig lief sie über das Gras. Erst als sie die Grenze zum Wald mit seinen dichten Büschen erreichte, fiel die Anspannung von ihr ab.

»Langsam muss ich aufpassen, du wirst zu gut.« Ein Mädchen, mit kurzen, ausgewaschenen grünen Haaren, hockte auf den dicken Wurzeln eines Baumes mit dem Smartphone in der Hand. Sie steckte es in die Hosentasche, bevor sie aufstand und ihre Freundin mit einer kräftigen Umarmung in Empfang nahm.

»Übertreib es nicht, Tessa.« Endlich konnte sie diese Perücke ausziehen. Ihr brauner Bob stand verschwitzt in alle Richtungen ab.

»Mache ich nicht!« Tessa strahlte über das ganze Gesicht. »Ben konnte etwas filmen. Dein Start war wie ein Katapult!«

»Danke, bis ich mit dir mithalten kann, dauert trotzdem noch.« Sie strich ein paar Fusselhaare beiseite.

Tessa öffnete den Rucksack, der neben dem Baum stand und reichte ihr eine Flasche Wasser. »Hier, Flüssigkeit auffüllen.«

Ohne Widerworte nahm sie das Getränk entgegen und setzte an. Nach mehreren Schlucken gab sie es ihrer Freundin zurück. Sie öffnete den Klettverschluss am Hals des Overalls, krempelte ihn herunter, bis er locker an ihren Hüften hing. Am Rücken war ihr darunterliegendes T-Shirt durchgeschwitzt. Eine Brise ging durch den spätsommerlichen Wald und kühlte ihren Körper herunter, dass es sie fast schon etwas fröstelte.

»Kaida, du unterschätzt dich. Am Ende hast du verdammt starke Nerven bewiesen. Viel besser als vor zwei, drei Monaten. Da wärst du locker eingebrochen.«

»Vielleicht.«

»Nicht vielleicht«, widersprach Tessa und sah ihrer Freundin tief in die hellbraunen Augen. »Du bist gut.« Ihre Worte klangen wie eine Beschwörung.

»Das mag sein.« Kaida wich Tessas Blick aus und beobachtete den Tanz aus Licht und Schatten auf dem Waldboden, den der Wind zusammen mit den Blättern der Bäume zauberte.

»Mir geht diese Verkleidung auf die Nerven«, gestand Kaida mit einer Mischung aus Bitterkeit und Wut. Was dabei überwog, konnte sie nicht bestimmen. »Ich habe die Schnauze voll davon, als Jeff zu fahren. Ich will als Kaida in den Kart steigen.« Sie seufzte und ballte die Fäuste. »Aber solange mein Vater keinen kräftigen Schlag auf den Kopf bekommt …«

»Also, wenn du möchtest, wir haben einen Gummihammer zu Hause, ich könnte …« Tessa brach bei dem giftigen Blick von Kaida ihren Aufmunterungsversuch ab. »Okay, dann nicht.« Sie hob beschwichtigend die Hände.

Kaida nahm ihr Ersatz T-Shirt und die Hose aus dem Rucksack und stopfte den Overall im Austausch hinein. »Am liebsten würde ich auf die Bahn gehen, mir einen Kart leihen und bei einem Rennen starten, das zu Ende ist, wenn er zur Arbeit kommt.«

Tessa lehnte sich mit verschränkten Armen an den Baum. »Ich bin auf deiner Seite.«

»Aber dann würde er mir sicher Hausverbot auf der Bahn geben.« Kaida schloss den Reißverschluss zu und setzte den Rucksack auf.

»Der Tochter auf der eigenen Bahn Hausverbot geben?« Tessa schmunzelte. »Das würde sich wie ein Lauffeuer im Dorf verbreiten. Wäre interessant zu sehen, was dann …«

»Als würde ich das rumerzählen«, unterbrach Kaida ihre Freundin resigniert. »Ich bin einfach zu nett.«

»Stimmt«, bestätigte Tessa kühl. »Er kann froh sein, dass ich nicht seine Tochter bin.«

Kaida lachte. »Ist er auch.«

»Mit mir hätte er es schwerer.«

»Das glaube ich sofort.« Kaida seufzte. »Für den Monat hat es sich ohnehin ausgefahren. Mein Taschengeld ist aufgebraucht.«

»In zwei Wochen ist September.«

Zwei Wochen zu viel. Kaida tat es gut, aus dem Hamsterrad von Schule und Arbeiten schreiben herauszukommen. Seit sie vor einem Jahr mit Kartfahren begonnen hatte, waren ihre Noten besser geworden. Es half ihr, den Kopf freizubekommen. Sie wollte mehr davon, regelmäßiger. Diesen Kick während des Rennens, die Anspannung, das Kribbeln.

Aber sie war erst 15 und musste sich mit dem zufriedengeben, was sie sich als Möglichkeit geschaffen hatte. In drei Jahren, darauf lag ihre Hoffnung, würde sich das ändern.

Kapitel 2

»Ich bin wieder da!«, rief Kaida in den Flur.

»Hallo, mein Schatz«, kam es aus dem Arbeitszimmer.

Sie legte ihren Schlüssel in die Schale auf dem Schuhschrank. Nur ein weiterer Bund lag darin.

»Ist Papa noch mal weg?«

Ihre Mutter kam auf den Flur. »Er ist die Flyer von der Druckerei abholen.«

»Flyer? Wofür das denn?«

»Für die Veranstaltung Anfang Oktober. Einen ganzen Samstag gibt es Rennen für verschiedene Klassen und Altersgruppen auf der Bahn. Mit Siegerehrung und allem, was dazugehört. Die Pokale sind heute angekommen.« Ihre Mutter zeigte hinter sich auf den Schreibtisch ihres Mannes im Arbeitszimmer.

»Davon weiß ich gar nichts.«

»Er hat auch nur den Mitarbeitern Bescheid gegeben, dass sie an dem Tag alle gebraucht werden. Du kennst deinen Vater, bevor er etwas in die Welt hinausschreit, will er alles geregelt haben.«

»Dann ist nicht mehr viel Zeit für Anmeldungen.«

»Habe ich ihm auch gesagt.« Ihre Mutter zuckte mit den Schultern. »Er meint, dieses Jahr sei ein Testlauf und es geht ihm hauptsächlich um die Kunden, die regelmäßig bei uns sind und da würde eine kurze Ankündigungsphase reichen.«

»Aha«, machte Kaida. Wenn ihr Vater sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er nicht mehr umzustimmen. Diskussionen oder Ratschläge liefen ins Leere. Er lernte nur aus Erfahrungen.

»Dann gibt es heute später Abendessen?«, fragte Kaida. Als sie von Tessa aus nach Hause gegangen war, hatte es in der ganzen Straßen nach Essen gerochen und ihr Magen beschwerte sich knurrend über die eigene Leere.

Ihre Mutter schaute zur Uhr an der Wand. »Eigentlich wollte er pünktlich wieder da sein. Du kannst den Ofen schon anschmeißen. Ich habe einen Auflauf in der Mittagspause vorbereitet, der muss nur aufgewärmt werden.«

Das hörte sich gut an. »Mache ich.«

Als Kaida in der Küche den Backofen einschaltete, kam ihr Vater durch die Wohnungstür. Mit einem Knall fiel sie ins Schloss.

»Hallo!«, rief er euphorisch.

Ist wohl gelaufen, wie er wollte, dachte Kaida und warf einen letzten Blick auf den Auflauf, bevor sie die Küche verließ.

Die Tür vom Arbeitszimmer stand offen. Ihr Vater stellte zwei Kartons auf seinen Schreibtisch, der damit endgültig voll war.

»Sind sie geworden, wie du es dir vorgestellt hast?«, fragte ihre Mutter.

»Hervorragend!«

Kaida blieb im Türrahmen stehen und beobachtete, wie ihr Vater mit einer Schere die Klebestreifen des oberen Paketes zerschnitt. »Sie sind perfekt!«, antwortete er voller Begeisterung, als er über die Flyer schaute.

Was hat er denn erwartet? Als Grafikdesignerin weiß sie, was sie tut, Kaida verkniff es sich, den spitzen Kommentar auszusprechen.

Ihre Mutter nahm einen der Flyer heraus und betrachtete ihn von beiden Seiten. »Ja, die Druckerei hat einen guten Job gemacht.«

»Darf ich sehen?«, fragte Kaida.

Ihr Vater drehte sich mit einem breiten Lächeln auf den Lippen zu ihr um. »Natürlich!« Wie ein frisch gebackener Papa das Baby voller Stolz allen zeigte, reichte er ihr einen der Flyer.

Es waren fünfzehn Rennen geplant. Den Anfang sollten die Jüngsten am Vormittag machen. Danach ging es hinaus in den Außenbereich für alle, die ihre eigenen Karts mitbrachten, unterteilt in die verschiedenen Motorstärken und Altersgruppen. Anschließend waren alle Teilnehmer mit Leihkarts dran, die ebenfalls draußen fahren sollten.

»Girls Race?«, fragte Kaida, als sie an der vorletzten Zeile des Programms angekommen war. »Warum?«

Die gefühlte Temperatur im Raum sank rapide knapp über dem Gefrierpunkt.

»Die Frauen wollen eine Bühne im Motorsport. Ich gebe sie ihnen. Außerdem habe ich keine Lust auf das Gejammer auf den Social-Media-Plattformen.« Ihr Vater schnaubte abwertend. »Ohne diesen ganzen Kram waren wir besser dran.« Er fiel in seinen kühlen Tonfall, der verständlich machen sollte, dass die Diskussion für ihn damit beendet war.

»Im Motorsport wird immer gemischt gefahren«, setzte Kaida an. Sie würde ihn nicht so einfach davonkommen lassen. »Oder ist das etwa der Versuch, sie aus den anderen Rennen auszuschließen?«

»Ich schließe niemanden irgendwo aus.«

»Zumindest nicht offiziell«, warf Kaida ihm vor. »Aber du hättest es lieber, wenn die Frauen unter sich fahren würden.«

Ihr Vater starrte sie an, musterte seine Tochter von den Haar- bis zu den Zehenspitzen. Das Kartfahren war nicht nur ein Ausgleich für Kaida, es hatte sie selbstbewusster gemacht. Vor einem Jahr hätte sie sich nicht getraut, ihm gegenüber so provokant zu sein. Das auszusprechen, was sie in ihrem Kopf hatte.

»Das reicht jetzt«, wich er der Diskussion aus. »Die Rennen sind gesetzt und daran wird sich nichts ändern.« Er drehte seiner Tochter den Rücken zu und verließ den Raum.

Kaida sah ihm mit eisigem Blick nach. Er weiß, dass ich recht habe und weil ihm nichts mehr einfällt, läuft er weg. Jetzt denkt er wieder, er hat gewonnen, weil er mich stehenlässt. Aber das hat er nicht.

»Musste das sein?«, fragte ihre Mutter.

»Ja, musste es.« Die Wut und Verständnislosigkeit trieben Kaida die Tränen in die Augen. »Und ich mache weiter, bis er einsieht, wie dumm das alles ist.«

»Meinst du nicht, dass du mit deiner Provokation das Gegenteil erreichst?«

»Bist du jetzt auf seiner Seite?«

»Ich bin auf niemandes Seite«, widersprach ihre Mutter. »Ich ertrage nur diese ständige Streiterei nicht mehr.«

»Und ich halte seine dämlichen Argumente nicht mehr aus. Weißt du, was er vor ein paar Tagen gesagt hat?«

»Kaida …«

»Wir könnten überhaupt nicht die Muskulatur aufbauen, die wir für ein Rennen brauchen. Dabei gibt es genug lebende Gegenbeweise. Ich kann ihn damit nicht durchkommen lassen!« Sie schluckte den Zorn runter. Er blieb in ihrem Hals stecken. »Was soll als Nächstes kommen? Dass wir während der Periode nicht fahren können, weil unser Blut nicht genug Sauerstoff transportiert?«

Ihre Mutter schüttelte den Kopf. »Also, jetzt wirst du albern.«

»Das habe ich genau so schon mitbekommen.«

»Von deinem Vater?«

»Nein, aber er ist auf dem Weg dorthin.«

»Kaida, genug. Wir drehen uns im Kreis.« Ihre Mutter senkte ernüchtert die Schultern. »Mal wieder.«

»Klar, halt dich wie immer raus«, raunte Kaida.

Bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte, zog sich Kaida in ihr Zimmer zurück. Die Wut, die sie heruntergeschluckt hatte, was in ihrem Bauch angekommen und füllte ihn ausreichend, um den Hunger zu verdrängen. Sie ließ sich aufs Bett fallen. Es nervt alles! Warum ist er so?

Sie holte das Handy aus der Tasche. Ein bisschen laute Musik sollte sie ablenken.

»Oh, Tessa.«

Kaida öffnete die Nachricht.

 

Tessa: Sonntag Formel 1 bei mir? Die ganze Familie kommt.

Kaida: Klar, aber warum kommen denn alle?

Tessa: Monza GP?????

 

Klar, das große Tifosi-Fantreffen.

 

Kaida: Sorry, ganz vergessen. Bin dabei.

Tessa: Sehr gut!

 

Im letzten Jahr war Kaida bereits dabei gewesen, und sie hatte sich zu Beginn fehl am Platz gefühlt, mit der papaya-orangen Kappe des McLaren Teams unter den ganzen roten Fahnen. Aber man hatte sie aufgenommen und viel Spaß gemeinsam gehabt.

Der Gedanke daran besänftigte einen Teil ihrer Wut.

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